Es soll 2500 km nach Norden gehen. Paul ist ein wundervoller Reisebegleiter, der diese Tour wahrscheinlich nicht zum ersten Mal macht. Wir kommen mit Land und Leuten bei oft unvermittelten Stopps ins Gespräch. Eine junge Familie, die am Fluss wild campt, ein Metis-Dorf auf dem wir die verlassene Kirche und den Friedhof besuchen, die Gespräche mit den Gastwirten oder den Gästen, der Imbisswagen oder die Tourist-Info am Straßenrand, die Bauarbeiter an den Straßen, die Tramper, die wir mitnehmen: ich lerne Kanada in all seinen Facetten kennen.
Wir verlassen die Prärie und kommen langsam in die Berge. Wir sind in der borealen Zone endgültig angelangt, mit allen Nachteilen: Erzbergbau oberirdisch, Waldfeuer, deren Wunden noch nicht verheilt sind und ständige Instandsetzungsarbeiten an der Straße. Die Tage werden länger: um 22 Uhr ist es noch taghell und um 5 Uhr steht die Sonne am Himmel.
Ab Dowson Creek beginnt der Alaska Highway. Der Ort begrüßt uns mit dem größten Festival der Motorfahrzeuge Kanadas, welches an diesem Wochenende stattfindet. In seinem Stadtwappen ist der Pfahl verewigt, der den Beginn dieser 1940 gebauten Straße bis nach Fairbanks in Alaska markiert. Legenden ranken sich um diese 2200 km lange Strecke, die noch vor wenigen Jahren eine reine Schotterpiste war. Bedingt durch das hohe Verkehrsaufkommen ist sie inzwischen durchgängig asphaltiert und trotz gleicher oder widrigerer Wetterbedingungen kostengünstiger als die Transsibirische Eisenbahn. Aber die Romantik ist bei beiden einzigartig!
Das haben auch die Amerikaner mit ihren „ärmlichen“ Motorhommes in der Größe einen Fernreisebusses realisiert. Heerscharen machen sich auf, um im Sommer nach Alaska zu reisen. Dabei führen sie als Anhänger einen PKW der Golf-Klasse mit sich. Bis auf wenige Ausnahmen ist wildes campieren bis zu einer Woche erlaubt. Auch Motorradfahrer begegnen uns immer wieder. Entweder jagen sie auf ihren GS die Kilometer runter oder sie lächeln cool verkrampft auf ihren Harleys. Anders als die lustigen Mexikaner, die diese 4500 km in 30 Tagen hin- und zurück als Reisegruppe machen wollen.
Fort Nelson ist so klein, dass wir zuerst meinen, bereits durch den Ort durchgefahren zu sein. 5mal wurde der Ort verlegt und so befinden sich Häuser im 15 km Umkreis. Im Zentrum allerdings gibt es 3 Hotels und 2 Motels. Das ist auch nötig um die vielen Touristen zu beherbergen. Die Preise sind „normal“: nur um die 100 Euro für ein Zweibettzimmer mit Frühstück. Und so stehen vor den Hotels die großen LKW friedlich neben den Pickup und PKW neben den Motorrädern. Nur die Wohnmobile sieht man nicht. Die Fenster in unserem Hotel lassen sich nicht öffnen; im Sommer benutzt man das Aircondition und im Winter die Heizung. Wir sind die ersten Besucher im Museum Fort Nelson. Eigentlich ist es ein besserer Schrottplatz für alles aus den letzten 100 Jahren. Für jemanden der sich ein wenig für Technik interessiert ist es hingegen eine Fundgrube. Die meisten Exponate stammen aus der Zeit, als der Alaska Highway gebaut wurde. Von der Planierraupe bis zum abgestürzten Flugzeug ist alles da. Schautafeln, welche die Exponate erklären, sucht man vergebens. Sogar alte Nachrichtentechnik ist vorhanden. Denn jetzt beginnt die menschenleere Wildnis. Die Siedlungen, teilweise bis zu 70 km auseinander bestehen aus 3-4 Häusern und einer Servicestation. Oft ist nicht einmal eine Tankstelle vorhanden. Alles erinnert ein wenig an Skandinavien. Erholung finden wir auch in einer heißen Quelle, in der wir genüsslich naturverbunden baden.
Kurz nach dem Liard River können wir Bisons in freier Wildbahn sehen. Etwa 35 Tiere lagern am anderen Ufer, das wir von einer kleinen Anhöhe ehrfurchtsvoll beobachten. Als wir uns nach einer geraumen Weile zurückziehen haben einige andere bereits die Anhöhe erklommen und befinden sich nahe unserem Auto. Vorsichtig verlassen wir den Ort.
Eine der urigsten Unterkünfte ist Nugget City, Adresse: Mile 650. Der Besitzer ist ein pensionierter Soldat, der hier 5 Monate im Jahr lebt und das Camp betreibt., Derweil hat seine Tochter die Webseite aufgepimpt. An der Wand hängt eine Liste mit etwa 20 Namen, alles Radfahrer, die in diesem Jahr bereits bei ihm Station gemacht haben. Arbeitskräfte sind rar und so sind inzwischen viele Stationen geschlossen. Es ist ein „Weit Open Country“. Bis zum Horizont sehe ich nur Wald. Weit gezogene Kurven auf dieser gut ausgebauten Straße ermöglichen es uns, die Kurven mit 100 zu nehmen, ohne das im Auto etwas verrutscht. Der Highway gilt hier als gefährlich, dabei gleicht er unseren Landstraßen bezüglich der Qualität. In einige Entfernung ist Gebirge mit Resten von Schnee zu sehen. Bezaubernde Seen sind seitwärts der Straße und Flüsse mit tiefen Tälern kreuzen die Straße. Wir sehen Schneehasen, Schwarzbären, Schneehühner
Der Youkon begleitet uns. Die unterirdischen Waldbrände erzeugen enorme Mengen an Treibhausgasen, so viel wie früher die gesamte DDR!